Praxisbeispiele

Gemeinsam gegen Vorurteile – Einblicke in die Respekt-Coaches-Arbeit in Ratingen

Schülerinnen und Schüler zu mündigen Mitgliedern der Gesellschaft machen – das ist eines der Ziele des Bundesprogramms Respekt Coaches. Seit 2018 arbeiten die Fachkräfte in dem JMD-Programm, die sogenannten Respekt Coaches, an Schulen zu Themen wie Toleranz, Anti-Diskriminierung und eine starke Demokratie.

Abbildung zeigt zwei Personen, die vor einer Leinwand stehen.
Vielfalt auf die Leinwand gebracht – Schülerin Janina Pavlovic und Respekt Coach Panagiota Balagka an der Kooperationsschule in Ratingen

Sie bemalen Graffiti-Leinwände, schreiben eigene Raps mit Hip-Hop-Profis. Sie gestalten Theaterstücke oder recherchieren über Menschen, zu deren Gedenken es einen Stolperstein gibt. Die Angebote, die es nun bereits seit vier Jahren an fast 500 Schulen bundesweit gibt, sind vielfältig und haben doch einen gemeinsamen Nenner: Demokratie, Toleranz – und Respekt.

Seit 2018 gibt es die sogenannten Respekt Coaches. In Kooperationsschulen arbeiten sie mit Schülerinnen und Schülern zusammen. Die Fachkräfte sind an die Jugendmigrationsdienste (JMD) angegliedert und arbeiten primärpäventiv, um extremistischen Haltungen und demokratiefeindlichem Verhalten vorzubeugen. Im Verbandsgebiet der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) zum Beispiel sind 18 Respekt Coaches an 16 Standorten eingesetzt. Bundesweit sind es fast 500 Personen. Ein Respekt Coach ist meist für ein bis zwei Schulen zuständig und dort regelmäßig mit verschiedenen Angeboten vor Ort.
 

Eigene Ideen entwickeln und Themen gestalten

Panagiota Balagka kommt am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Ratingen auf verschiedene Arten zum Einsatz. Sie leitet zwei AGs, macht klassenübergreifende Workshop-Tage und wird auch dazu geholt, wenn es besondere Vorfälle gibt oder eine Lehrkraft einen besonderen Bedarf zu den Themen der Respekt Coachin in ihrer Klasse sieht. In der AG für die 9. Klasse sind in diesem Jahr Demokratie und Partizipation die zentralen Themen. Die AG der 7. und 8. Klasse beschäftigt sich mit dem Thema Vielfalt. Auch wenn diese Themen als Rahmen vorgegeben sind, dürfen die Jugendlichen sie selbst mit Leben füllen.

„Es ist wichtig, dass sie merken, dass sie das Projekt selbst gestalten dürfen. Für viele Schüler und Schülerinnen ist das neu“, sagt Panagiota Balagka. Wenn sie merkt, dass die Gruppen selbst aktiv werden und eigene Ideen entwickeln, ist das für sie als Respekt Coach ein Erfolgserlebnis. Ihr Ziel ist es, dass die Jugendlichen lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden und Dinge, die sie lesen oder hören, auch zu hinterfragen. Einen eigenen Standpunkt zu finden und trotzdem auch mit unterschiedlichen Auffassungen umzugehen.

Abbildung zeigt eine Leinwand mit einer Collage von gemalten Bildern.

Auch Jugendliche aus Duisburg, Essen und Mönchengladbach gestalteten Leinwände zum Thema Vielfalt.
 

Kreativ sein in AGs

„Ich habe das Gefühl, es gibt viele, die keinen Respekt vor anderen haben“, sagt Janina Pavlovic. Auch deshalb nimmt die Zwölfjährige in diesem Schuljahr an einer der AGs von Panagiota Balagka teil. Sie freut sich schon auf die kreative Arbeit in der AG. Es ist geplant, Graffiti zu gestalten. Im Schulalltag habe sie schon mitbekommen, wie ein paar Jungs aus ihrer Klasse eine Schwarze Mitschülerin rassistisch beleidigt haben. Janina findet, da muss man widersprechen, sich an die Seite der Mitschülerin stellen. Weil eben auch Schule kein rassismus- und diskriminierungsfreier Raum ist, ist das Programm Respekt Coaches wichtig, um diese Themen mit den Schülerinnen und Schülern anzusprechen und zu bearbeiten.
 

Zeit für Gespräche, die sonst wenig Raum finden

In Gesprächen und in den AGs geht es besonders um die Dinge, die die jungen Menschen gerade am meisten beschäftigen, sagt Panagiota Balagka. Sexuelle Vielfalt etwa sei ein großes Thema, das viele derzeit bewege. „Mit den Eltern wird darüber oft nicht so viel gesprochen.“ Da lernten viele eher ein klassisches Beziehungsmodell mit heterosexuellen Eltern kennen. Dass aber nicht alles, was dem nicht entspricht, automatisch schlecht sein muss, das lernen die Schülerinnen und Schüler auch in den AGs.

„Die Respekt Coaches sprechen Themen an, für die es im normalen Schulalltag oft wenig Raum gibt. Sie entlasten damit auch die Lehrkräfte“, sagt Friederike Menzemer, Referentin für Integration und Migration bei der Diakonie RWL. Denn im Unterricht sei manchmal nicht genügend Zeit, sich ausführlich damit zu befassen. Etwa, genauer zu verstehen, woher Vorurteile kommen. Oder welche Gestaltungsmöglichkeit jeder und jede Einzelne in der Gesellschaft hat.


Besseres Miteinander festgestellt

Dass das Projekt wirkt, ist mittlerweile sogar wissenschaftlich untersucht. 2020 wurde dazu eine Evaluation durchgeführt, bei der erforscht wurde, wie die Zusammenarbeit gelingt, was sich dadurch verändert hat und wie das Projekt verbessert werden könnte. Das Ergebnis: Die Schulen sind durchweg dankbar für so eine feste Instanz, eine Person, die regelmäßig vor Ort und für diese Themen ansprechbar ist. Viele Schulen berichten auch davon, dass sich das Klima und der Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander verbessert haben. Interkulturelle Kompetenz und konstruktiver Austausch sind demnach gewachsen.

Durch das Programm, so Friederike Menzemer, „werden Schülerinnen und Schüler darauf vorbereitet, mündige Mitglieder der Gesellschaft zu werden.“ Gerade in den aktuellen Zeiten, sei es wichtig, ihnen Angebote zu machen.

Ein Beitrag von:
Diakonie RWL, Carolin Scholz / Servicebüro Jugendmigrationsdienste; Fotos: Carolin Scholz / Panagiota Balagka
Veröffentlicht: 11.11.2022

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