Praxisbeispiele

Rapflektion Online:

Ein Rap-Projekt in Zeiten der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat die Welt auf den Kopf gestellt. Auch das Programm Respekt Coaches ist maßgeblich davon betroffen. Nachdem alle Schulen geschlossen wurden, konnten dort keine Projekte mehr durchgeführt werden. Der Respekt Coach des JMD Leipzig hat schnell reagiert und gemeinsam mit dem Projekt „Rapflektion“ aus Braunschweig einen Online-Workshop ins Leben gerufen. Durch Rap und das gemeinsame Musizieren arbeiten die Schülerinnen und Schüler an ihrer eigenen Biografie, setzen sich mit ihrer aktuellen Situation auseinander und lernen dabei gleichzeitig die deutsche Sprache.

Vier Personen im Video-Chat am Handy
Musikprojekt per Videochat – Schülerinnen und Schüler setzen sich in „Rapflektion Online“ u.a. mit der eigenen Biografie auseinander.

Aufgrund der steigenden Infektionszahlen mit dem Coronavirus wurde am 16.03.2020 die Schulpflicht in Sachsen ausgesetzt. Zeitgleich wurden auch die Projekte mit externen Kooperationspartnern abgesagt. Erste Telefonate zwischen dem Respekt Coach Max Edel (JMD Leipzig, Internationaler Bund) und den Lehrkräften der Kooperationsschulen machten deutlich, dass es keine Planungssicherheit für die kommenden Wochen und Monate geben werde. „Wie lange die Schulen geschlossen bleiben und ab wann meine Klasse wieder in den Unterricht gehen kann, weiß ich nicht“, erklärte Nadine Herfurth, Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrerin der Georg-Schumann-Oberschule in Leipzig.

Für Schülerinnen und Schüler, die gerade dabei sind, die deutsche Sprache zu lernen, birgt die komplette Schulschließung eine besondere Gefahr. „Durch das Fernbleiben machen sie schnell Rückschritte und bereits gemachte Erfolge gehen verloren“, so beschreibt die Lehrerin die Situation. Um diesen negativen Konsequenzen entgegenzuwirken, wurde gemeinsam überlegt, wie die Schülerinnen und Schüler trotz der neuen Situation erreicht und mit ihnen Projekte umgesetzt werden können. 
 

Online-Coaching als Mittel, um die eigenen Gefühle zum Ausdruck zu bringen 

Das Projekt „Rapflektion“, von Carlos Utermöhlen aus Braunschweig ins Leben gerufen, wurde in der Vergangenheit bereits zwei Mal im Rahmen von Respekt Coaches an zwei Leipziger Schulen umgesetzt. Dabei schrieben die Schülerinnen und Schüler Texte zu selbstgewählten Themen und setzten sich mit ihrer eigenen Biografie, ihren Träumen und ihrer Zukunft auseinander. „Da die Zusammenarbeit für alle Beteiligten sehr positiv war, fiel der Blick nun wieder auf das Rap-Projekt“, erklärt Respekt Coach Max Edel. Gemeinsam mit Carlos Utermöhlen wurde überlegt, wie auf Basis dieses Konzeptes ein Online-Angebot gestaltet werden könnte. In kürzester Zeit war die Idee für das Projekt „Rapflektion Online“ geschaffen. Dass Schülerinnen und Schüler auch durch Online-Coaching eigene Lieder schreiben und ihre Gefühle zum Ausdruck bringen können, davon ist Carlos Utermöhlen überzeugt.
 

Kein Computer, kein Smartphone, kein Internet

Durch ein kurzes Video, das die Lehrerin an ihre Schülerinnen und Schüler schickte, wurde ihnen die Projektidee vorgestellt. Schnell wurde deutlich, dass in vielen Familien die technischen Mittel zur Umsetzung eines solchen Online-Projektes fehlen. Computer sind in den wenigsten Fällen vorhanden, Smartphones besitzen teilweise nur die Eltern und auch eine Internetverbindung gibt es nicht in allen Haushalten. Durch die intensive Unterstützung von Nadine Herfurth wurde für alle, die an dem Projekt teilnehmen wollten, eine technische Lösung gefunden – so konnte beispielsweise ein privater Laptop neu aufgespielt und einem Schüler zur Verfügung gestellt werden.

 

Drei Personen im Video-Chat am Handy.

Lehrerin Nadine Herfurth (l.), Projektentwickler Carlos Utermöhlen (r.) und Respekt Coach Max Edel (u.) tauschen sich ebenfalls digital aus.

 

Trotz der Herausforderungen meint Max Edel vom JMD Leipzig: „Meiner Meinung nach ist es in dieser Situation wichtig, einfach mal mit etwas anzufangen und die Schwierigkeiten zu akzeptieren und im Laufe des Prozesses schrittweise Lösungen zu finden. Es ist ja für alle, sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch für uns, Neuland.“
 

„Neun Schülerinnen und Schüler nehmen mehrmals die Woche teil – ein voller Erfolg.“ 

Anfang April startete das Projekt an der Georg-Schumann-Schule und einer Berufsschule in Leipzig mit einer Laufzeit von drei Monaten und insgesamt 160 Unterrichtsstunden. „Neun Schülerinnen und Schüler nehmen mehrmals die Woche über Videochat an dem Projekt teil – das ist ein voller Erfolg“, berichtet Carlos Utermöhlen nach den ersten vier Wochen. „Musik ist ein verbindendes Element, das machen wir uns zu Nutze, um der Isolation der Schülerinnen und Schüler entgegenzuwirken.“ Die Kinder und Jugendlichen freuen sich über ihre eigenen Leistungen, sind stolz auf ihre selbstgeschriebenen Texte und arbeiten in ihrer Freizeit motiviert an den eigenen Liedern.
 

Gerade jetzt sind externe Projekte wichtig

Eine Schülerin schreibt: „Die Schule fehlt mir, ich vermisse meine Freunde, will einen Abschluss machen, habe so viele Träume“, und drückt dadurch ihre aktuelle Gefühlslage aus. Ein anderer Schüler schreibt einen Text an seine Mutter, die er seit mehr als fünf Jahren nicht gesehen hat und verarbeitet darin seine eigene Fluchtgeschichte. „Für Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung, die teilweise ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind, ist diese Zeit der Isolation besonders schwierig. Zur Sehnsucht nach der eigenen Familie fehlen nun auch die Kontakte zu Freunden, zu Lehrkräften und Mitschülerinnen und Mitschülern“, beschreibt Max Edel die Situation und unterstreicht die Dringlichkeit, gerade jetzt mit externen Projekten und der Zusammenarbeit mit Trägern der politischen Bildung weiterzumachen. „Wir müssen den Schülerinnen und Schülern das Gefühl und die Sicherheit geben, dass wir für sie da sind.“
 

„Wenn die Schulen wieder öffnen, sehen wir uns in Leipzig wieder.“

Seit über sechs Wochen arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit Carlos Utermöhlen zusammen. Mit einigen wurden bereits die zweiten Lieder begonnen. „Wenn die Schulen wieder öffnen, dann sehen wir uns in Leipzig wieder und nehmen die Lieder in einem Tonstudio auf“, verspricht Carlos Utermöhlen. „Unbedingt!“, so die Schülerinnen und Schüler.

 

 

Ein Beitrag von:
JMD Leipzig / Servicebüro Jugendmigrationsdienste
Veröffentlicht: 10.06.2020

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