Von Blumenbeet bis Stolperstein
Vertrauen schaffen, Vorurteile abbauen
Mobbing und Streit überwinden und ein respektvolles Miteinander fördern: Das sind Ziele des Bundesprogramms Respekt Coaches. Deutschlandweit sind dafür Pädagoginnen und Pädagogen an mehr als 190 Schulen im Einsatz. Melanie Franz vom Jugendmigrationsdienst Neunkirchen der Diakonie Saar ist von Beginn an dabei und weiß, worauf es ankommt.
Melanie Franz ist sozusagen eine „Frau der ersten Stunde“. Seit das bundesweite Präventionsprogramm Respekt Coaches im Jahr 2018 startete, ist sie am technisch-gewerblichen und sozialpflegerischen Berufsbildungszentrum im saarländischen Neunkirchen für Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte da. Ihre Aufgabe: Mit Projekten und Workshops das Klassenklima verbessern, Respekt und Toleranz fördern sowie interkulturelle und interreligiöse Kompetenzen vermitteln.
Die Sozialarbeiterin ist eine von zwei Respekt Coaches des Diakonischen Werks Saar und gehört damit zu den 14 Respekt Coaches an neun Schulstandorten unter dem Dach der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL). Bis zu 300 der mehr als 1.700 Schülerinnen und Schüler erreicht die 42-Jährige pro Jahr mit ihren Projekten. „Ich werde inzwischen als fester Bestandteil und Vertrauensperson wahrgenommen“, sagt sie.
Stolperstein-Aktion und Mediation
Zu den Angeboten, die Melanie Franz bislang realisiert hat, zählt die „Stolperstein-Aktion“, in der sich Schülerinnen und Schüler mit Biografien von Opfern des Nationalsozialismus auseinandersetzten. Zusammen mit einem Filmwissenschaftler lernten sie, einen Film zu drehen – vom Skript bis zum Schnitt. Es gab unter anderem ein interkulturelles Volleyballturnier, ein Kunstprojekt, einen interkulturellen Ausbildungstag sowie einen Ausflug in den Hochseilgarten „Fun Forest“ in Jägersburg mit Kooperationsspielen und Vertrauensübungen.
Welche Geschichte steckt hinter einem Stolperstein? Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich mit Biografien von Opfern des Nationalsozialismus.
Neben diesen Projekten betreut die Sozialarbeiterin mit den Vertrauenslehrkräften die Schülervertretung und ermöglicht den Jugendlichen damit eine aktive Partizipation am Schulleben. Außerdem begleitet sie die Mediatorinnen und Mediatoren. Das sind Schülerinnen und Schüler, die als eine Art Streitschlichter fungieren. Ganz im Sinne des Respekt-Coaches-Mottos „Lass uns reden! Reden bringt Respekt“.
Mobbing und Angst vor dem Fremden
„Wir sind eng dran am Alltag der Jugendlichen und genau dort wollen wir sie auch erreichen“, betont die Respekt-Coaches-Mitarbeiterin. Ein Alltag, der heutzutage nicht selten von sozialen Medien geprägt ist – und das nicht nur positiv, wie Melanie Franz weiß. „Vieles, was dort passiert, bekommt man gar nicht mit. Etwa Hass, Hetze und Mobbing.“ Das führe zwangsläufig zu Konflikten.
„Deshalb fördern wir Medienkompetenz, einen richtigen Umgang mit Hate Speech und Fake News auf Instagram und Co.“ Außerdem bearbeiteten die Respekt Coaches politische und interkulturelle Themen wie Fremdenangst. „Die Jugendlichen beschäftigen Fragen wie: Warum hat jemand ein Kopftuch an und warum isst jemand kein Schwein?“, berichtet Franz von ihren Erfahrungen. Konflikte entstünden dann oft aus Unwissenheit. „Oder weil sie sich nicht trauen nachzufragen, aus Angst, dann als rechts eingestuft zu werden.“ Deshalb gelte es, einen Raum zu schaffen, um offen über so etwas sprechen zu können.
Gemeinschaft dank Gartenaktion
Eine Zeit lang konnte jedoch aufgrund der Corona-Pandemie nicht persönlich gesprochen werden. Als Präsenzangebote nicht möglich waren, sei vieles über WhatsApp gelaufen. Dabei sei es oft um die Pandemie und die Situation zu Hause gegangen, aber auch um Home Schooling. „Auf der Strecke geblieben ist aber die Gemeinschaft“, meint Melanie Franz.
Im Aller-Welts-Garten der Diakonie in Neunkirchen bepflanzte Melanie Franz mit Schülerinnen und Schülern Beete.
Kurzerhand organisierte sie deshalb im Juni ein Projekt im Aller-Welts-Garten, der Begegnungsstätte des Hauses der Diakonie in Neunkirchen. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern wurden Beete bepflanzt, ein Komposter sowie Loungemöbel gebaut. Die Vorbereitungen auf das neue Schuljahr liefen wegen Corona ebenfalls weniger konkret als sonst. „Ich habe aber natürlich schon Ideen im Kopf“, so Franz. Es werde wieder ein Filmprojekt geben. Und ein abgesagter Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof solle nachgeholt werden.
„Ich fand alle Projekte ganz toll. Vor allem das Filmprojekt war aber super“, lobt Schülerin Samira Edelmann. Am meisten aber habe sie sich für Themen wie Ausgrenzung und Mobbing interessiert. „Das erleben wir im Schulalltag“, sagt die 16-Jährige. „Man unterhält sich jetzt eher über solche Themen.“ Zudem seien klassenübergreifend neue Freundschaften entstanden. „Ich habe viel gelernt und mich persönlich weiterentwickelt.“
Wichtiger Beitrag zur Werteerziehung
Wie glücklich auch die Schule über das Programm ist, verdeutlicht Manuela Niedermeier, stellvertretende Schulleiterin des Berufsbildungszentrums: „Das Programm leistet einen wichtigen Beitrag zur Werteerziehung.“ Durch die Angebote werde die Verantwortung gefördert, ein respektvoller Umgang erlernt sowie das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit gestärkt.
„Die Schülerinnen und Schüler werden mit unterschiedlichen Weltanschauungen konfrontiert und lernen diese zu verstehen.“ Das sei ein entscheidender Beitrag für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dazu kann laut Melanie Franz ohnehin jeder etwas beitragen. Die Formel sei einfach: „Man sollte jeden so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Viel mehr muss es nicht sein.“
Andreas Attinger / Servicebüro Jugendmigrationsdienste; Fotos: Andreas Attinger / Diakonie Saar